Von der Jahrhundertwende bis Kriegsende 1918

Die Gemeinde zur Jahrhundertwende

Vor über 100 Jahren hatten nicht alle Einwohner von Pertolzhofen ein Stimmrecht. Im Protokoll der Gemeindeversammlung vom 14. Oktober 1883 ist zu lesen: "Zunächst wurde konstatiert, daß die Gemeinde z. Zt. 31 stimmberechtigte Gemeindebürgerhat, daß diese in Rücksicht auf ihre Steuergröße 32 Stimmen zu vertreten haben...".

Zu dieser Zeit hatten nur Steuerzahler ein Stimmrecht. 1883 standen dem Schloß- und Brauhausbesitzer Lobinger zwei Stimmen zu. Sein Steuersatz betrug 50,58 DM, der Steuersatz der übrigen lag zwischen 0,91 DM und 24,56 DM. Die Zahl der Stimmberechtigten nahm in den folgenden Jahren stetig ab. 1890 waren es noch 22 mit 24 Stimmen. Der Brauhausbesitzer besaß 4 Stimmen, der Wirt, die zwei Müller und der Getreidehändler besaßen jeweils zwei Stimmen. Über wichtige Dinge entschied die Gemeindeversammlung. So vergab sie zum Beispiel für 18 DM pro Jahr die Gemeindejagd. Sie legte auch den Steuersatz fest. Vor 1900 lag das Steueraufkommen der Gemeinde zwischen 900 und 1000 Mark.

Wenn ein "Pertolzhofer der Gemeinde zu Las fiel", entschie meist die Gemeindeversammlung über diesen Fall. So wurde z. B. eine erkrankte Dienstmagd aus München auf Kosten der Gemeinde ins Dorf zurückgeführt. Arme und Arbeitsunfähige wurden ins Armenhaus in Pertolzhofen eingewiesen und dort mit dem Nötigesten versorgt. Voraussetzung für die Unterstützung eines Hilfsbedürftigen war, daß er das Himatrecht von Pertolzhofen besaß. Wer zuzog, mußte nach der bayerischen Gemeindeordnung das Heimatrecht in der neuen Gemeinde beantragen und dafür zahlen. Bürgermeister und Gemeindeausschuß entschieden über den jeweiligen Fall. Ein junger Mann, der 1887 in ein Anwesen in Pertolzhofen einheiratete, mußte um 42 Mark das Bürger- und Heimatrecht erwerben. Der Tageslohn eines Arbeiters betrug damal 1,50 Mark. Bis 1914 hatten der Bürgermeister und der Gemeindeausschuß auch ein Einspruchsrecht, wenn ein Paar vor den Traualtar treten wolle.

Zweimal verlieh die Gemeinde vor 1914 ohne Antrag und Gebühr das Bürgerrecht. 1899 ehrte die Gemeinde den aus Zankendorf stammenden königl. Oberamtsrichter Michael Meier durch die Ehrenbürgerschaft. 1905 verleih die Gemeinde dem gewählten Abt des Klosters Metten Willibald Adam das Ehrenbürgerrecht. Abt Adam war als Lehrersohn in Pertolzhofen geboren. Neben der Leitung der Gemeinde hatten Bürgermeister und Gemeindeausschuß als wichtige Aufgabe die Verwaltung des Stiftungskapitals der Schulexpositur. Er lieh das Geld an Interessenten im Dorf und der weiten Umgebung aus. Wer Geld brauchte, ging damal nicht zur Bank, sondern zum Gemeinderat nach Pertolzhofen. Die Gemeinderatsbücher geben beredetes Zeugnis von der redlichen Verwaltungstätigkeit des Gemeindeausschusses. Die Gemeinde hatte nie einen Pfennig veruntreut. Bis 1912 war das Stiftungskapital auf 30800 Mark angewachsen. Für damalige Zeiten eine enorme Summe, wenn man bedenkt, daß mancher Arbeiter keine 10 DM Wochenlohn bekam. 1904 erstellte der Schulsprengel im Ort für zwei weltliche Lehrer ein eigenes schönes Lehrerdienstwohnhaus. Die Hälfte der Baukosten wurde durch die Kirchenverwaltung getragen, den Rest brachten die sechs beteiligten Gemeinden auf. Um das Mindesteinkommen der Lehrer zu gewährleisten, mußte der Schulsprengel jährlich 100 DM beisteuren. Das Jahreseinkommen eines Hilfslehrers betrug 342 Mark, der definitive Lehrer brachte es auf 436 Mark im Jahr 1903.